Wusstest du, dass sich das Wohlbefinden deines Pferdes an seiner Oberlinie widerspiegelt und du wertvolle Informationen daraus ableiten kannst? Einer französischen Studie zufolge können bestimmte Körperhaltungen deines Pferdes Information über sein körperliches und auch seelisches Wohlbefinden geben. Die Studie findest du auf
In der täglichen Arbeit als Sattelfitterin kann ich den Erkenntnissen der Studie nur zustimmen. Ich möchte dir hilfreiche Tipps geben, wie du deinem Pferd mit kleinen und leicht umsetzbaren Schritten zu mehr Wohlbefinden verhelfen kannst. Möglicherweise lässt sich auch so manches Sattelthema nachhaltig lösen.
Status quo
Zu Beginn mache ein paar Beobachtungen an deinem Pferd, um festzustellen, auf welchem Status quo es sich befindet. Welche Situation habt ihr da im Augenblick?
-Wie regelmäßig ist euer Training?
-Welche Faktoren haben euch möglicherweise bisher an einem regelmäßigen Training gehindert?
-Wer unterstützt euch beim Training?
-Welche Probleme sind zu lösen, um endlich regelmäßig zu trainieren?
Mit diesen Fragen gehen wir auch bei einem Satteltermin an die Sache heran, da sich Veränderungen in der Rückenmuskulatur, positive wie auch negative, oft über den Sattel äußern. Wenn du das rechtzeitig erkennst, kannst du größere Probleme meist schon frühzeitig abfedern. Mit regelmäßigem Training, ungeachtet in welcher Intensität, hast du nach einiger Zeit auch mit der Sattelpassform weniger Veränderungen zu bewältigen.
Steter Tropfen höhlt den Stein ...
Für eine positive Veränderung und um eine gesunde Sattellage zu bekommen, ist ein regelmäßig eingehaltener Trainingsplan sinnvoll. Es kommt dabei nicht unbedingt darauf an, täglich ein bis zwei Stunden zu arbeiten, wenn du dein Pferd hauptsächlich freizeitmäßig reitest. Das Pensum der Arbeit richtet sich natürlich nach euren Zielen. Auch mit zwei bis drei Trainingseinheiten pro Woche kann ein Freizeitpferd aus gesunder Haltung prima klarkommen, ohne Muskulatur abzubauen. Eine gewisse Regelmäßigkeit in der Arbeit mit deinem Pferd wirkt auf jeden Fall Wunder! Hier geht es darum, eine Kontinuität des Arbeitspensums für dein Pferd zu schaffen. Am Anfang kann es dabei noch zu Veränderungen am Pferdekörper kommen, wie es auch die Erfahrungen aus der Sattelanpassung zeigen. Wenn dein Pferd gesund ist und ihr euren kontinuierlichen Rhythmus über Monate hinweg gefunden habt, beruhigt sich erfahrungsgemäß auch eure Sattelsituation.
Ausbildungsstand deines Pferdes
Bedenke, dass nicht jedes Pferd den optimalen Weg der Ausbildung genossen hat und jetzt möglicherweise Nachholbedarf an gewissen Grundübungen hat. Dann wird es noch längere Zeit für die Erarbeitung der Basics benötigen, wie Absolvieren der Bahnfiguren im Takt, Stellung und Biegung in die Bewegungsrichtung und dergleichen, bis es überhaupt mit genügend Balance und Entspanntheit an versammelte Übungen gehen kann. Die Arbeit an den Trab- oder Galoppverstärkungen sind erst dann ein Genuss, wenn dein Pferd genügend Tragkraft und Balance in der Hinterhand entwickelt hat und es deine Hilfen bereitwillig annehmen kann.
Wenn sich der Sitzschwerpunkt verändert
Die beiden häufigsten Veränderungen, die du an der Sattelsituation erkennen kannst, sind ein vorne Absinken oder Erheben des Sattels, in beiden Fällen ist das Pferd an der freien Bewegung der Schulter gehindert.
Das nach vorne Absinken des Sattels und ein zu enger Schulterschluss, wenn das Kopfeisen nicht passt und der Sattel das Pferd an einer freien Bewegung der Schulter hindert, kann durch einen unruhigen oder unausbalancierten Reitersitz oder klemmende Knie zusätzlich beeinflusst werden. Hier kann es wichtig sein, zu überprüfen, ob der Sitzschwerpunkt, den dein Sattel aufweist, noch mit dem tiefen Schwerpunkt deines Pferdes übereinstimmt, oder ob du vor die Bewegung kommst, also das Gefühl hast bergab zu sitzen.
Pferde, die zum anderen Extrem neigen und leicht an Körpermasse zulegen, haben meist Probleme mit rutschenden Sätteln. Da Fettgewebe nicht mit Muskulatur verglichen werden kann, ist die Sattellage oft schwer zu beurteilen. Für dich ist in erster Linie wichtig zu wissen, dass mit einem systematischen Training zuerst die Fettmasse schwindet, bevor Muskeln aufgebaut werden. Bei Pferden, die an Körperfett zulegen, beobachtest du möglicherweise, dass sich dein Sattel vorne hebt und sich dadurch dein Sitzschwerpunkt nach hinten verlagert hat. Du sitzt dann förmlich bergauf und bist hinter der Bewegung. Hier liegt oft der Grund dafür, dass Sättel im Laufe der Zeit wieder angepasst werden müssen, um dich so wieder ausgewogen auf deinem Pferd zu platzieren, damit euer Training wieder optimal weiter funktionieren kann.
Wie du dein Pferd durch deinen Sitz beeinflussen kannst
Doch natürlich ist auch ein guter Reitersitz wichtig, um das Pferd gut trainieren zu können - ab und an mal eine Sitzlonge ohne Bügel wirkt Wunder. Kurzum: gutes Reiten ist immer auch ein Teil der Lösung. Der losgelassene und ausbalancierte Reitersitz ist dabei anzustreben. Sobald natürlich der Sattel dies nicht mehr zulässt, gehört er zuerst angepasst. Manchmal genügt übergangsweise auch ein geeignetes Pad. In jedem Fall macht es Sinn, wenn danach kontinuierlich weiter geritten wird - wie schon erwähnt, sind schon zwei- bis dreimal die Woche eine Intensität, mit der ein Freizeitpferd (bei guter Haltung mit ausreichend Koppelgang) prima klarkommt.
Trageerschöpfung - was passiert da beim Pferd?
Das Pferd hängt förmlich "in den Seilen", es trägt also seinen Brustkorb, Hals und Kopf nicht mit der ihm zur Verfügung stehenden Rumpf-, Bauch- und Rückenmuskulatur, sondern lässt sich mit wenig Körperspannung in den Schulter-Trageapparat hängen. Die Balance und Grundspannung deines Pferdes in den Gangarten zu erarbeiten hilft gegen die Trageerschöpfung.
Bei Freizeitpferden, die locker im Gelände geritten werden, siehst du meist gute Sattellagen mit ausreichend Bemuskelung, weil Pferde sich in der natürlichen Bewegung, wenn diese vom Reiter nicht gestört wird, mit einer guten Körpergrundspannung bewegen. Schau doch bei der nächsten Gelegenheit am Putzplatz mal genauer hin. Welches Pferd hat viel Körperfett und wo kannst du tatsächlich Muskulatur erkennen – und wie steht das im Zusammenhang mit dem, was das Pferd regelmäßig macht?
Pferde, die schwach ausgeprägte oder unregelmäßig verteilte Muskulatur aufweisen, haben meist auch Probleme mit der Sattelpassform. Die schwache Muskulatur ist jedoch oft nicht die Ursache selbst, sondern ein Resultat von beispielsweise Bewegungsmangel. Diesem wiederum können vielfältige Faktoren zugrunde liegen, z.B. Lahmheit, alte Verletzungen oder Fehlstellungen. Versuche doch einmal, dies an ein paar verschiedenen Pferden zu beobachten und dir die Sattellage dazu anzusehen. Auch ein paar Pfunde zu viel können von Bewegungsmangel kommen. Ok, manche Pferde sind auch einfach etwas beleibter und trotzdem glücklich unterm Sattel. Die Klagen kommen dann meistens vom Reiter, dessen Sattel nun rutscht. Da ein Pferd aber nun einmal nicht statisch wie einen Schrank betrachtet werden kann, ist eine Analyse in Bewegung die aussagekräftigste.
Wie du eine Trainingseinheit gestalten kannst
Eine gute Trainingseinheit beginnt bereits mit dem Putzen deines Pferdes. Die Massage mit dem Striegel an den großen flächigen Muskeln bringt die Blutzirkulation in Gang, was das spätere Warmreiten schon positiv beeinflusst. In der kalten Jahreszeit kannst du die Aufwärmphase deines Pferdes unterstützen, indem du – falls vorhanden – unter dem Solarium 10 bis 15 Minuten den Rücken aufwärmst oder eine Nierendecke beim Schritt reiten auflegst.
Die Lösungsphase, also das Warmreiten selbst, beginnt immer im Schritt und kann durch Übungen wie Schulterherein und Rückwärtsrichten effizienter gestaltet werden, da Balance und Konzentration deines Pferdes mehr angesprochen werden, als beim bloßen Dahinspazieren am langen Zügel. Damit die Übungen für dein Pferd Sinn machen und sich keine Fehler einschleichen, lass dich, besonders zu Beginn, von einem Trainer dabei begleiten.
Schulterherein und Rückwärtsrichten sind Übungen, die die Balance und Tragkraft deines Pferdes fördern. Diese Übungen eigenen sich auch hervorragend für die Bodenarbeit. Hier hast du nebenbei auch die Möglichkeit, die Fußfolge und den Bewegungsablauf deines Pferdes genau zu beobachten.
Mit System und ohne Eile lösen
Dein Pferd zeigt dir, wann es locker wird. Zeichen für das Lösen sind z.B. eine locker getragene Schweifrübe, das Abschnauben, ein lockerer Mähnenkamm und das Abkauen an der Trense. Achte auf die Signale deines Pferdes, bevor du mit der Trabarbeit beginnst.
Die Arbeitsphase richtet sich nach eurem Ausbildungsstand und sollte so lange dauern, wie sich dein Pferd gut konzentrieren kann. Du merkst das möglicherweise daran, dass mehrmals wiederholte Übungen auf einmal schlechter werden, oder die Konzentration deines Pferdes nachlässt. Dann kehre zu einfacheren Übungen zurück, die dein Pferd gerne ausführt, damit du mit einem positiven Ergebnis und Loben zur Abreitphase kommen kannst.
Das Abreiten
Die Abreitphase ist genauso wichtig wie das Warmreiten und beugt Muskelkater vor. Das Zügel aus der Hand kauen lassen belohnt das Pferd schon und leitet die Abreitphase ein. Die Abreitphase endet wieder im Schritt und ist dann beendet, wenn die Atmung deines Pferdes wieder ruhig wird und es nicht mehr schwitzt. In der kalten Jahreszeit kannst du mit einer Abschwitzdecke verhindern, dass dein Pferd zu schnell auskühlt, wenn das Fell nass geschwitzt ist.
Das "Abwarten", ein heute kaum noch benutzter Begriff, also das Nachbereiten des Pferdes nach dem Training, wie z.B. Beine kühlen, Waschen und Sattellage massieren, sind für dein Pferd sehr angenehm und haben eine positive Wirkung auf die Durchblutung und die Muskelentspannung. Im Winter, wenn dein Pferd viel Fell hat, kannst du es bei niedrigen Temperaturen natürlich nicht waschen und musst möglicherweise auch auf das Kühlen der Beine verzichten. Alternativ kannst du Beine und Sattellage nochmal mit einer Wurzelbürste massieren, was einen angenehmen Abschluss eurer Trainingseinheit für dein Pferd bedeutet.
Ideen für langfristige Trainingspläne
Lege dir einen Kalender für dein Pferd zu. Für Pferde im Profisport ist das ganz selbstverständlich, vor allem dann, wenn mehrere Menschen sich um ein Pferd kümmern. Auch für dein Pferd kann ein Wochenplaner hilfreich sein. Die verschiedenen Aktivitäten sollten wöchentlich wiederkehren, wie voll der Wochenplan für dein Pferd ist, richtet sich natürlich nach euren Möglichkeiten. Wenn du im Winter keine Reithalle zur Verfügung hast oder aus anderen Gründen weniger trainiert werden kann, schaffe Alternativen wie z.B. Longenarbeit, Bodenarbeit, Zirkuslektionen, Ausritte, Spazierengehen, und integriere auch solche Aktivitäten in deinen regelmäßigen Trainingsplan. Natürlich ist wichtig, die richtige Intensität zu finden, die sowohl für dich und dein Pferd passt sowie deine zur Verfügung stehende Zeit berücksichtigt. Wenn du eine Reitbeteiligung hast oder dein Pferd von einem Trainer bereiten lässt, plane mit deinen Mitreitern immer gemeinsam, wie der beste Plan für dein Pferd aussehen kann. Kontinuität und langfristig nachhaltige Resultate wirst du bekommen, wenn du es schaffst diesen Wochenplan möglichst gleichmäßig über längere Zeit für dein Pferd beizubehalten. Es lohnt sich!
Mit kleinen Fortschritten zufriedengeben und langfristig mehr erreichen.
Die Regelmäßigkeit ist wichtiger als ein einmaliger großer Trainingserfolg. Das Sprichwort „Der Weg ist das Ziel“ beschreibt das ganz gut. Auch unsere Pferde sind Gewohnheitstiere und genießen eine verlässliche Struktur in deiner Arbeit. Dies bedeutet nicht, dass euer Training monoton sein muss, sondern nur, dass ihr in eurer gemeinsamen Arbeit eine Struktur habt, die euch vertraut ist und mit der Zeit überall funktioniert. Wenn du diese Struktur bei der Arbeit in der Halle, am Reitplatz oder im Gelände pflegst, kommt genügend Abwechslung ins Spiel.
Jetzt wünsche ich dir viel Freude bei der Umsetzung
und denke immer daran, der Weg ist das Ziel!
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